Gleich zu Beginn des Dokumentarfilms ‚More than Honey‘ (‚Mehr als Honig‘) werden die Zuschauer im dunklen Saal visuell beeindruckt: Wir sehen einer Bienenkönigin beim schlüpfen zu, und das aus atemberaubender nächster Nähe, die Kamera scheint sich um die Weiselzelle zu drehen während die Arbeiterinnen emsig mit der Geburtshilfe beschäftigt sind und die Zelle aufschneiden. Ein gelungener Einstieg in einen Film der mit beeindruckenden, intimen Bildern aus dem Leben der Bienen nicht geizt.
Danach geht es romantisch weiter. Ein alter, bärtiger Mann steigt den Berg hinauf, er trägt eine Leiter, eine Axt und einen Schwarmkäfig. Genau deshalb ist er nämlich unterwegs: wenige Momente später wird er zigarrenrauchend mit den bloßen Händen den Schwarm vom Ast herunterstoßen und im Käfig hinunter ins Tal tragen. Kontrastiert wird das wenige Momente später mit der bewusst gesetzten düsteren Gegenwelt: wir tauchen ein in die riesigen Mandel-Monokulturfelder Kaliforniens. Wir lernen dort einen Wanderimker kennen der zwar auch einen familiären Bezug zu den Bienen mitbringt, das Brummen der Bienen in der Luft jedoch sogleich lautstark mit dem Duft des damit eingebrachten Geldes vergleicht.
Wir sehen dort im Verlauf des Films dann auch allerlei drastische Dinge: Bienen die im dramatischer Naheinstellung in Zeitlupe mit Spritzmittel besprüht werden und die maschinelle Massenverarbeitung der Honigwaben mit gewisser Brutalität. Im späteren Verlauf des Films zeigt Imhoof zwar auch Probleme in der Idylle der Schweizer Berge, ein Bienenvolk leidet an Faulbrut und wir erleben die traurige Tötung eines ganzen Bienenvolkes durch Gaszufuhr, es bleibt aber im wesentlichen bei diesen zwei Extremen.
Markus Imhoof erzählt uns dass die Bienen sterben weil wir sie schlecht behandeln, weil es schon lang nicht mehr um eine ausgewogenes Zusammenleben geht sondern um Wachstum und Profit. Der Film erzählt somit eine eindrucksvolle Geschichte nicht nur über die Bienen sondern auch über den aktuellen Weg und die vorherrschenden Maxime vieler Menschen.
Die persönliche und mitunter auch berührende Geschichte scheint teilweise um Ausgewogenheit bemüht, vieles in meinen Augen wissenswertes und wichtiges wird aber nicht erzählt (Neonicotinoide werden gar nicht erwähnt, siehe dazu auch diese lesenswerte Kritik auf FM4)
Der Film scheitert meiner Meinung nach an dem anfangs erwähnten Vorhaben Imhoofs, der dem vermehrten Sterben der Bienen nachgehen will. Für mich fehlt ein breiterer, ausgewogenerer Blick auf das Dasein von Imkern und Bienen abseits der dargestellten, polarisierenden Extreme. Wenig erfreulich ist auch die zügige, wenig informative Aburteilung der Bienen(über)züchtung als großer Mitverursacher des aktuellen Bienensterbens.
Imhoof mäandert erzählerisch dahin und es ist teilweise unklar was er sagen will. Gegen Ende stellt er einen weiteren amerikanischen Imker vor der mit angriffslustigeren, ‚wilderen‘ Bienen hantiert die als eigenständiger und störrischer portraitiert werden. Schlagen die Bienen also zurück? Werden nur diese nicht gezüchteten, wilderen ‚Killerbienen‘ überleben? Wenig hilfreich, und für mich ärgerlich, ist dabei auch die Verwendung eines vermeintlichen Zitats Albert Einsteins der gemeint haben soll: „Wenn die Bienen aussterben, stirbt 4 Jahre später die Menschheit aus.“ Abermals werden wir also mit einem Untergangsszenario konfrontiert. Wie konstruktiv das für die Kinobesucher ist, wird sich weisen.
Für mich bleibt die Erinnerung an bildlich eindrucksvolle und intime Einblicke in das Leben der Bienen (Arbeiterinnen die einander Füttern, das Schlüpfen der Königin, der Begattungsflug) und ein Film der stringenter und zwingender erzählt hätte werden müssen, der aber dennoch sehenswert ist.
Das letzten Bild des Film zeigt uns Bienen bei Flug ins All. Was Imhoof damit genau ausdrücken will ist mir verborgen geblieben.
P.S. Die Aufgebrachtheit des Kommentars von Roland Hellinger kann ich gut nachvollziehen. Die umfassende und sicher auch ambivalente Geschichte der Bienen und der Imkerei wird stark vereinfacht, wobei ImkerInnen, die Imkerei und Bienenzucht teilweise in fragwürdigem Licht dargestellt werden.
Nachtrag: Vielen Dank für deinen Kommentar und deine Gedanken zum Film, Christina Rentenberger-Klinger!